Parvin Razavi im Interview
GUSTO hat die Newcomerin des Jahres 2023, Parvin Razavi, zum Interview in ihrem Restaurant &flora getroffen und mit ihr übers Teilen, Erfolg und Herausforderungen gesprochen.
2022 war das Jahr der Parvin Razavi, 2023 geht die Erfolgsgeschichte weiter. Die gebürtige Iranerin und kulinarische Autodidaktin hat innerhalb eines Jahres drei Hauben im &flora erkocht und wurde zudem als Newcomerin des Jahres ausgezeichnet, seither zählt das Restaurant hinter dem Wiener Museumsquartier zu jenen Orten, an die Kulinarikinteressierte pilgern.
Opulente Pflanzen, ausgewählte Designelemente, bunte Farbwelten: Wer in den überaus gelungen inszenierten Räumlichkeiten des Hotel Gilbert, in dem sich das &flora befindet, Platz nimmt, hat einiges zu bestaunen. Auch ein Blick in die Küche bietet sich an: Razavi kocht schließlich in einem offenen Bereich vor den Augen der Gäste.
Die interessante Optik des Lokals spiegelt sich zudem auf den Tellern wider: Die Gerichte sind optische Highlights, die Produkte stehen im Mittelpunkt. Die Stars der Küche sind die jeweiligen Gemüsesorten der Saison, inspirieren lässt sich Razavi von der Natur und den Jahreszeiten.
Wer ins &flora geht, sollte übrigens teilen können: Das Restaurant strebt ein Sharing-Konzept an, bei dem alles in die Mitte gestellt und geteilt wird.
DAS INTERVIEW
Sie haben iranische Wurzeln, möchten aber bewusst nicht als persische Köchin wahrgenommen werden. Woran liegt das?
Wenn ich Comfort Food brauche, dann koche ich persisches Essen. Das ist mein Zuhause: der Duft von persischem Reis, die Gewürze. Das dockt in mir drinnen an einer besonderen Stelle an. Aber in meiner Arbeit würde mich so ein Fokus einschränken. Meine Kunst ist viel weiter gefasst, und ich möchte mich nicht darauf reduzieren lassen. Im &flora persisch zu kochen, wäre mir zu naheliegend und zu wenig kreativ.
Wie sieht es aus, wenn Sie zu Hause kochen und Familie und Freunde einladen? Was kommt dann auf den Tisch?
Bei mir zu Hause ist es so, dass sich der Tisch biegt. Es kommen sehr viele unterschiedliche Gerichte in die Mitte, dafür bin ich bei meinen Freunden bekannt. Es ist sehr bunt, alle greifen zu und unterhalten sich. Für mich ist ein Abend gelungen, wenn am Ende alle um meinen Küchenblock herum stehen und noch die Reste aufessen.
Für mich ist ein Abend gelungen, wenn am Ende alle um meinen Küchenblock herum stehen und noch die Reste aufessen.
Gibt es ein Gericht, das dann ein Fixstarter ist? Das Ihre Freunde fast schon einfordern, wenn Sie einladen?
Nein, aber woran ich bei dieser Frage sofort denken muss, ist eine meiner Pastas. Die mache ich im Sommer gerne: Unten ist Tomatensauce, dann kommen die Nudeln obendrauf, und dann nur noch geröstete Pinienkerne und alle Kräuter, die ich im Garten finde. Die ist traumhaft und sehr beliebt.
Bei Ihnen zu Hause wird also wie im &flora das Essen geteilt ...
Ich finde das total wichtig! Erstens probiert man dadurch viel mehr, zweitens fördert das Sharing-Prinzip auch den sozialen und verbindenden Aspekt des gemeinsamen Essens. Das ist auf jeden Fall etwas, was aus dem Orientalischen kommt und dafür steht, wie ich geprägt bin. Im Iran oder auch in der Türkei gibt es Abläufe und Gänge, also Vorspeisen und Hauptspeisen, nicht. Alles kommt zeitgleich auf den Tisch, alles wird gleichzeitig gegessen. Essen ist interkulturell, es bringt uns einander näher.
Wohin gehen Sie selbst am liebsten essen?
Ich habe kein wirkliches Lieblingsrestaurant, aber ich gehe mit meinen Kindern gerne Hot Pot essen. Das ist im Prinzip auch ein sehr kommunikatives Essen, das den Gemeinschaftssinn fördert.
Mit welchen besonderen Zutaten kochen Sie zu Hause am liebsten?
Granatapfelmelasse ist bei mir ein Dauerbrenner und macht so vieles besser. Es zahlt sich wirklich aus, damit ein wenig zu experimentieren. Und Safran liebe ich auch sehr.
Gibt es eine Zutat, mit der Sie Ihre Gäste überraschen?
Rüben, vor allen Dingen Rote Rüben! Die essen so viele Menschen nicht besonders gerne, oft haben Sie ein Trauma aus der Kindheit, weil sie so viele schlechte Gerichte damit vorgesetzt bekommen haben. Und wenn Sie dann im &flora sind und die Rüben probieren, sind sie total überrascht und sagen: "Wow, ich hätte nie gedacht, dass mir Rote Rüben schmecken können."
2022 war für Sie ein wahrhaft rasantes Jahr: Das &flora hat aufgesperrt, Sie haben ein Team eingearbeitet, dann gleich drei Hauben erkocht und Sie wurden obendrein auch noch als Newcomerin des Jahres ausgezeichnet. Hatten Sie eigentlich schon Zeit, all das zu verdauen?
Es war wirklich viel, vor allem viel Schönes. Da ich so viel arbeite, hatte ich aber kaum Gelegenheit, all das zu verarbeiten und zu genießen. Meine Leistung auch selbst anzuerkennen, mir selbst ein wenig auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, dass ich das gut mache, auch wenn es oft schwierig ist.
Den Auszeichnungen sind Jahre harter Arbeit vorausgegangen, trotzdem sprechen viele von „schnellem Erfolg“, weil Sie im &flora in wenigen Monaten so vieles erreicht haben. Ist der Druck dadurch größer geworden?
Nein, diesbezüglich spüre ich keinen Druck. Der kommt bei mir eher daher, ein beständiges Team aufzubauen. Halten die Mitarbeiter das aus? Habe ich Leute, die genauso fokussiert sind wie ich und die gleichen Ziele haben? Das beschäftigt mich mehr. Wir sind mit einer Generation konfrontiert, die weniger arbeiten, dabei aber mehr Geld verdienen will, und der ein Umfeld wie jenes im &flora, das ja zu einem Hotel dazugehört, oft zu groß ist. Es belastet mich, dass ich mir um die Konstanz unserer Leistung Gedanken machen muss.
Parvin Razavi wurde in Teheran geboren, sie lebt seit 1985 in Wien und ist zweifache Mutter. Ihre Kochleidenschaft lebte die kulinarische Autodidaktion anfangs über ihren Blog „thx4cooking“ aus, den sie löschte, um in der Profiküche ernst genommen zu werden. Bevor die 44-Jährige im &flora drei Hauben erkocht hat, organisierte sie ihr eigenes Catering, war Teil von Kochshows, schrieb erfolgreiche Kochbücher und arbeitete in mehreren Wiener Restaurants, etwa im Dogenhof und in der Hausbar). Von Gault&Millau wurde sie als Newcomerin des Jahres 2023 ausgezeichnet.
Mehr über Parvin Razavi und ihre Küche finden sie hier: &flora.at