Alte Küchenschätze
Die Wiener Küche ist berühmt für ihre preiswerten Fleischgerichte, in der auch weniger edle Teile zu Ehren kommen. Geschmort, gedünstet und gekocht werden Rieddeckel, Kronfleisch und Gschnattl zu Delikatessen von unvergleichlichem Wohlgeschmack.
Norbert Payr, Retter vergessener Küchenschätze
Zeiselmauer ist beinahe Wiener Vorstadt – gerade 31 Minuten dauert die Anreise mit der Schnellbahnlinie S40 von Wien-Spittelau. Hier, in diesem reizenden Nest im Tullnerfeld, hat sich Wirt und Küchenchef Norbert Payr die Rettung der traditionellen Wirtshausküche zur Aufgabe gemacht. Deshalb gehören Rieddeckel, Kronfleisch und Gschnattl zum Standardprogramm des Gasthofes Zum Lustigen Bauern. Gerichte, die in der heimischen Küche zwar schon lange Tradition haben, in der modernen aber, die sich allzu gerne auf Edelteile und Kurzgebratenes reduziert, ob ihrer langen Garzeit so gar keinen Platz finden. Zu Unrecht, denn gerade diese preiswerten Fleischteile machen den Zeitaufwand mit einem Mehr an Geschmack wett.
Wo ist der nächste Fleischhauer?
Sie werden ihn für diese Rezepte brauchen. Rieddeckel & Co sind Fleischteile, die in keinem Supermarktregal verpackt liegen. Aber man bekommt sie bei jedem guten Fleischhauer auf Bestellung. Der wird sich über Ihr Interesse freuen – denn damit helfen Sie mit, die Zukunft eines vom Aussterben bedrohten Handwerks zu sichern. „Zum Fleischhauer muss ich so viel Vertrauen haben wie zum Zahnarzt“, bringt es Norbert Payr auf den Punkt.
Gasthof Zum Lustigen Bauern
3424 Zeiselmauer, Kirchenplatz 1
T: 02242 704 24
www.zumlustigenbauern.at
Rezepte
Das flache, etwa 5 cm dicke Fleischteil zieht sich beim Rind wie ein Deckel über Schulter und Rostbraten. In der Steiermark kennt man es auch als „falscher Rostbraten“. Es ist ein typisches Wiener Suppenfleisch, mager, grobfaserig und sehr geschmackvoll. Gedünstet und geschmort wird der Rieddeckel wunderbar saftig. Wichtig bei der Zubereitung ist ausreichend Flüssigkeit und ein geschlossener Topf.
>> Kronfleisch in Rotwein-Zwiebelsauce
Der handbreite, etwa einen halben Meter lange Streifen liegt am Rippenbogen und ist ein Teil des Zwerchfells. Das Fleisch ist sehr grobfaserig, zugleich außerordentlich schmackhaft, am besten wird es lange gekocht oder geschmort. In der französischen Küche schätzt man es auch kurzgebraten als Onglet du boeuf. Das Kronfleisch ist klassischer Bestandteil des Bruckfleisches, ein Alt-Wiener Ragout aus Innereien, die direkt vom Schlachthof, der Schlachtbruk’n, verkauft wurden. Zum Bruckfleisch gehören Aorta (Liachtl), Herz, Milz, Leber, Bries und Stichfleisch.
>> Gekochtes, gesurtes Gschnattl
Ein selten verwendeter Ausdruck, in unserem Fall ist es ein Teil von der hinteren ausgelösten Schweinsstelze. Das Vögerl bezeichnet korrekterweise einen Teil von der Kalbsstelze, wir erlauben uns hier die Adaptierung auf die vom Schwein. Beim Rind heißt das Stück exakt Gschnatter-Anschnitt und ist ein Teil des hinteren Wadschinkens. Jener Teil, der nur von einer dünnen Sehne, dem Ludl, durchzogen ist. Alles ganz einfach, wie Sie sehen. Die ausgelöste hintere Stelze ist jedenfalls ideal zum Kochen und Schmoren und auch die perfekte Wahl für Gulasch.